Studie D21-Digital-Index 2020 / 2021
Im Corona-Jahr 2020 verschoben sich viele private und berufliche Aktivitäten in den digitalen Raum. Die deutsche Gesellschaft ist digitaler als je zuvor – doch nicht alle profitieren gleichermaßen.
Die Studie D21-Digital-Index misst jährlich, wie stark die deutsche Gesellschaft den digitalen Wandel adaptiert. Der dafür erhobene Digital-Index liegt aktuell bei 60 von 100 Punkten (plus zwei Punkte im Vergleich zum Vorjahr). Der Index-Wert errechnet sich anhand von Fragen zu den Bereichen Zugang zur Digitalisierung, Nutzungsverhalten, digitale Kompetenz und Offenheit gegenüber Digitalthemen. Der D21-Digital-Index ist eine Studie der Initiative D21, durchgeführt von Kantar und gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
Digitale Kompetenzen für Alltag und Arbeitswelt wichtiger denn je
Die Nutzung digitaler Anwendungen und Dienste stieg im durch Corona geprägten Jahr 2020 deutlich an – sowohl im Privaten als auch im Berufsleben, dort insbesondere bei Bürotätigkeiten. Alltägliche Aktivitäten verschoben sich stärker in den digitalen Raum, ob Kultur, Bildung, Kommunikation, Unterhaltung, Einkaufen oder Arbeit. Besonders stark stieg die Nutzung von Streamingdiensten (plus zwölf Prozentpunkte), digitalen Lernangeboten (plus elf Prozentpunkte) und von Sprachassistenten an (plus elf Prozentpunkte). Der Anteil der Menschen, die im Homeoffice arbeiteten, verdoppelte sich im Vergleich zum Vorjahr auf 32 Prozent (59 Prozent bei Bürojobs).
Digitale Spaltung bleibt Herausforderung: Ältere, niedrig Gebildete und Nichtberufstätige profitieren weniger von Digitalisierung
Mit einem Index-Wert von 60 Punkten weist die deutsche Gesellschaft insgesamt ein mittleres Digitalisierungsniveau auf. Der Anteil der Bürger*innen, die beim digitalen Wandel mithalten können, bzw. sich souverän und fortschrittlich darin bewegen, steigt. Doch es bleiben verschiedene digitale Spaltungen erkennbar und die Studie zeigt die Heterogenität der Digitalen Gesellschaft auf: Betrachtet man verschiedene soziodemografische Merkmale, sind starke Unterschiede im Digitalisierungsgrad ersichtlich.
Die Generation 14-29 Jahre weist mit 73 Index-Punkten einen hohen Digitalisierungswert auf, die Generation der über 70-Jährigen hat dagegen nur einen Index von 36. Nichtberufstätige verfügen mit 48 Index-Punkten über einen deutlich niedrigeren Wert als Berufstätige mit einem Index von 69. Formal niedrig Gebildete (42) und Menschen mit Nettoeinkommen unter 2.000 Euro (46) liegen ebenfalls unter dem Bundesdurchschnitt von 60.
Befragt, ob man glaubt, persönlich von der Digitalisierung zu profitieren, zeigen sich deutliche Unterschiede: Besonders die Jungen und gut Gebildeten fühlen sich als Gewinner*innen der Digitalisierung: So profitieren nach eigenen Angaben 79 Prozent der 20-29-Jährigen von der Digitalisierung, noch knapp die Hälfte (49 Prozent) der 60-69-Jährigen, aber nur noch 22 Prozent der über 70-Jährigen. Drei Viertel der höher Gebildeten sehen sich als Gewinner*innen (74 Prozent), von den Menschen mit mittlerer Bildung etwa die Hälfte (53 Prozent) und von den formal niedrig Gebildeten nur noch ein Drittel (32 Prozent). Unter den Berufstätigen glauben 66 Prozent, von der Digitalisierung zu profitieren (Berufstätige mit Bürotätigkeit: 78 Prozent), von den Nichtberufstätigen sind es 41 Prozent.
„Einige Gruppen profitieren stark von der Digitalisierung, andere noch nicht. Dieser digitalen Spaltung müssen wir entgegenwirken“, sagt Hannes Schwaderer, Präsident der Initiative D21. „Als Technologie-Nation werden wir zukünftig noch stärker auf Digitalisierung setzen und sie wird weiter an Geschwindigkeit gewinnen – sei es in der Arbeitswelt, im Gesundheitswesen oder im Alltag. Dafür braucht Deutschland dringend eine Digitale-Kompetenz-Agenda, sowohl für den beruflichen als auch den privaten Bereich. Unsere Erhebungen zeigen vor allem großen Unterstützungsbedarf bei den niedrig Gebildeten, Nichtberufstätigen und bei den älteren Generationen über 70 Jahren.“
Trotz Corona bleibt digitaler Austausch mit Ärzt*innen Randphänomen
Die Studie untersucht zudem jährlich einzelne aktuelle Fragestellungen aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, in diesem Jahr liegt ein Schwerpunkt auf dem Bereich digitale Gesundheit. Die Bereitschaft, sich per Videosprechstunde von Ärzt*innen behandeln zu lassen, stieg auf 34 Prozent an (plus acht Prozentpunkte) und ist am ehesten bei Menschen in jüngerem und mittlerem Alter vorhanden. Die tatsächliche Nutzung ist allerdings noch sehr gering: Nur fünf Prozent derjenigen, die während der Corona-Zeit einen Kontakt mit medizinischem Personal hatten, der nicht vor Ort stattfand, nutzten dafür eine Videosprechstunde. Nur etwas mehr als die Hälfte (55 Prozent) vertraut bei der Nutzung von Gesundheitsanwendungen auf die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen.
Insgesamt wünscht sich ein Drittel der Bevölkerung (32 Prozent) eine stärkere Digitalisierung des Gesundheitswesens (Jüngere deutlich häufiger als Ältere). 23 Prozent gaben an, dass sich ihre Aufgeschlossenheit gegenüber der Digitalisierung im Gesundheitswesen durch Corona erhöht hat. Mehr als ein Drittel (36 Prozent) befürchten allerdings auch, durch mehr Verlagerung von Gesundheitsangelegenheiten auf das Internet, von einigen Versorgungen abgeschnitten zu werden.
Digitaler Schub in der Arbeitswelt, zwei Drittel erleben Hürden beim Schulunterricht
Anders als im Privaten, sind die Bereiche Arbeit und Schule bisher noch weniger stark von der Digitalisierung durchdrungen und stehen damit vor noch größeren Veränderungen. In der Arbeitswelt zeigen sich bei Bürotätigkeiten deutliche Sprünge in der Nutzung von Homeoffice und mobilem Arbeiten (+17 Prozentpunkte auf 32 Prozent aller Berufstätigen). Besonders die Ausstattung mit Kollaborationstools oder Videokonferenztools nahm deutlich zu (+17 Prozentpunkte auf 33 Prozent bzw. +15 Prozentpunkte auf 26 Prozent).
Beim digitalen Unterricht berichteten zwei Drittel (68 Prozent) der Beteiligten (Lehrkräfte, Schüler*innen, Eltern) von Hürden. Am häufigsten nannten die Befragten uneinheitliches Vorgehen (42 Prozent), mangelnde Hardware oder Internetausstattung waren für 16 bzw. 14 Prozent ein Problem, wobei Lehrkräfte dem überdurchschnittlich oft zustimmten. Die Offenheit für mehr Digitalisierung des Schulunterrichts und für verbindliche Fortbildungen für Lehrkräfte ist in der gesamten Bevölkerung sehr hoch (74 bzw. 78 Prozent). 60 Prozent glauben, dass die Corona-Situation Ungerechtigkeiten in der Bildung verschärft. Nur 32 Prozent haben Zutrauen in die Schulen beim Vermitteln der benötigten Digitalfähigkeiten, ein Rückgang um 4 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr.
Link zur Studie: https://initiatived21.de/d21index