Tagung zum 60. Geburtstag der LAG Jugend & Film Niedersachsen e.V.
Wie können wir die durch Games und digitale Medien geschaffenen, neuen Lebenswelten aktiv (mit)gestalten? In welchem Verhältnis steht die emotionale Intensität der Geschichten von Computerspielen mit dem Erleben der »realen Wirklichkeit«? Welche Veränderungen erfahren die bestehenden Sozialräume durch die digitale Vernetzung? Und wie können wir diese Medien in der Kulturellen Bildung einsetzen? Diesen Fragen widmete sich die zweitägige Tagung „Wirklichkeiten gestalten – Games, Film und digitale Medien in der Kulturellen Bildung“, zu der die Landesarbeitsgemeinschaft Jugend & Film Niedersachsen und die Bundesakademie Wolfenbüttel einluden.
Eine Kombination aus Theorie und Praxis sorgte dabei für ein attraktives Programm, das sich dem Thema der Tagung sowohl aus wissenschaftlicher Perspektive, als auch aus medienpädagogisch-praktischer Sicht näherte.
So rahmten zwei inspirierende Vorträge aus dem Bereich der Game Studies die Tagung:
Prof. Dr. Rolf F. Nohr (HBK Braunschweig) eröffnete mit seinem sehr unterhaltsamen Referat die Tagung und sprach über die „Natürlichkeit des Spielens“ im Spannungsfeld zwischen dem Zauberkreis digitaler Welten und dem Versuch, Spielmechanismen wirtschaftlich zu instrumentalisieren – reichlich Ansatzpunkte, sich mit den vielfältigen Facetten des menschlichen Grundbedürfnisses Spiel auseinanderzusetzen, inklusive.
Dr. habil. Andreas Rauscher (Universität Kiel), Kurator der letztjährigen Ausstellung „Film + Games“ im Filmmuseum Frankfurt, referierte am Abend zum Thema „Die ludifizierte Leinwand – Wechselspiele zwischen Film und Games“ ebenso kenntnisreich wie unterhaltsam über die Interdependenzen zwischen beiden Medien. Dazu stelle er zahlreiche Ausschnitte aus Filmen und Games gegenüber, die - für manchen überraschend - belegten, wie sehr sich beide bisweilen in Inhalt und Bildsprache ähneln.
Antworten auf die Leitfragen der Veranstaltung erhielten die TeilnehmerInnen allerdings nicht nur durch diesen spannenden theoretischen Diskurs, sondern auch durch konkrete medienpraktische Labore, bei denen neue Ansätze für die eigene Arbeit erprobt werden konnten. Andreas Hedrich (Creative Gaming) zeigte, wie sich aus Games kurze Machinima-Filme erstellen lassen, die danach gemeinsam begutachtet wurden. Mobil waren die Teams bei den „Videowalks“ unterwegs, die Karl-Heinz Stenz (Live Art Kollektiv „cultura“) leitete. Beim anschließenden „Nachlaufen“ verbanden sich Realität und Kamerasucherbild zu einer faszinierenden Doppelwirklichkeit. Und gewissermaßen in einem „Crash-Kurs“ vermittelte Stefan Berendes (LAG Jugend & Film Niedersachsen) einen Überblick über die Welt der Games und beleuchtete dabei ebenso die Faszination des Mediums wie auch Möglichkeiten zur Nutzung von Games als Werkzeug und Gegenstand der Jugendmedienarbeit.
Zu einer spielerischen (Wieder)Entdeckungsreise luden am späteren Abend der Programmpunkt „Hands on Games!“ ein: Bis weit nach Mitternacht nutzen viele TeilnehmerInnen die Möglichkeit, sich erstmalig an Playstation, Wii, Retro-Konsolen und Tablets zu versuchen oder vertraute Spiele wieder zu entdecken. Gleichzeitig bot das Mühlenfoyer der Bundesakademie eine gemütliche Atmosphäre für Erinnerungen aus 60 Jahren erfolgreicher Verbandsarbeit.
Denn nicht zuletzt bildete die Veranstaltung auch den Rahmen für den 60. Geburtstag der LAG Jugend & Film Niedersachsen. Zu den zahlreichen Gratulanten gehörte Andrea Hoops, Staatssekretärin im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur. Sie zeigte sich beeindruckt von der Veranstaltung und der Arbeit des Verbandes: „Die Landesarbeitsgemeinschaft Jugend & Film Niedersachsen e.V. ist heute weit mehr als der vor 60 Jahren gegründete Filmclub für Jugendliche. Sie ist für uns stets ein zuverlässiger und kompetenter Partner für alle Fragen rund um die zeitgemäße kulturelle Jugendbildung. Sie greift aktuelle Themen auf. Sie nutzt das Medium Film, um Flüchtlinge bei uns zu integrieren. Auf ihrer Fachtagung stellt die LAG das Thema ‚Computerspiele‘ in den Mittelpunkt, das aus der kreativen und nachhaltigen Jugendmedienarbeit nicht mehr wegzudenken ist.“
Der BJF Vorsitzende Norbert Mehmke, der die Geschicke des Verbandes als ehemaliger Vorsitzender über zwei Jahrzehnte gestaltet hat, freute sich über die breitgefächerten Aktivitäten als „bundesweite Beispielgeber“. Das Selbstverständnis des Verbandes und eine Vision für die zukünftige Arbeit fasste der LAG-Vorsitzende, Holger Tepe, prägnant zusammen: „Wir sind ein Verband für bewegte Bilder. Für bewegende Bilder. Und für Bilder, die wir bewegen!“
Am Ende der zweitägigen Veranstaltung zeigten sich die TeilnehmerInnen, die ein breites Spektrum von Jugendarbeitenden und LehrerInnen, MuseumspädagogInnen bis hin zu Studierenden abdeckten, einhellig begeistert von den präsentierten Möglichkeiten und den nutzbaren Schnittstellen zwischen Games, interaktiven Medienformaten und Film.
Eine schriftliche Dokumentation der Tagungsergebnisse ist in Vorbereitung. Einen ersten anschaulichen Blick auf die Inhalte der Tagung bietet schon jetzt Tanja Föhrs grafische Dokumentation der Veranstaltung, die unter <link http: www.lag-jugend-und-film.de _blank external-link-new-window einen externen link in einem neuen>www.lag-jugend-und-film.de abrufbar ist.
(Stefan Berendes / Holger Tepe)
FOTO oben: von rechts nach links: Staatssekretärin Andrea Hoops (Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur), Holger Tepe (Vorsitzender LAG Jugend & Film Niedersachsen e.V.), Norbert Mehmke (Bundesverband Jugend und Film e.V.), Klaus Kooker (Vorstand LAG Jugend & Film Niedersachsen e.V.), Stefan Berendes (Vorstand LAG Jugend & Film Niedersachsen e.V.), Dr. Birte Werner (Bundesakademie Wolfenbüttel, Leitung Programmbereich Darstellende Künste), Susanne Degener (Vorstand LAG Jugend & Film Niedersachsen e.V.).
Seit 1956 dabei: Gründungsmitlied Carl Küster und seine Frau Hella
Angeregte Tagungsatmosphäre in Mühlenfoyer der Bundesakademie in Wolfenbüttel.
Alle Fotos: Lars Landmann